Abrisse bei elastischen Fugen/Extreme Randabsenkungen

Verfasser des Beitrags: Dr. Unger, Donauwörth, Fachjournalist und Autor des FUSSBODEN ATLAS®

Bei dem nachfolgenden Artikel handelt es sich um einen Auszug aus dem FUSSBODEN ATLAS® – www.fussbodenatlas.de

16.1 Abrisse bei elastischen Fugen/Extreme Randabsenkungen
Seit Jahren mehren sich die Anfragen von Bauherren, welche die Erstellung eines Gutachtens wegen der abgerissenen, elastischen Verfugung zwischen Wand- und Bodenfliese wünschen. „Erst vor einem Jahr bin ich eingezogen und schon der erste Bauschaden …“ – ist der Kommentar, den ich in diesem Zusammenhang häufig höre. Was hat es mit diesem Phänomen auf sich? Lassen Sie uns kurz die möglichen Gründe analysieren.

16.1.1 Lösungsansatz
Früher wurde eine entstandene Distanz zwischen Wand und Bodenfliese in der Regel einem Absenkvorgang zugeschrieben, dessen Ursache man im Nachgeben der Dämmung sah. Wenn man jedoch die Konstruktion öffnete, stellte man häufig fest, dass die Dämmung ihre geplante Dicke unter Belastung aufwies. Wir wissen heute, dass insofern kein Wasserschaden vorlag und normengerechtes, der Belastung angepasstes Dämmmaterial verwendet wurde, die Ursachen auch an anderer Stelle zu suchen sind. Wie fast überall am Bau ist auch hier der richtige Umgang mit dem Wasser von entscheidender Bedeutung. Nach Verlegen des Estrichs, der in gefliesten Räumen häufig Zement als Bindemittel aufweist, wird das in der Konstruktion eingeschlossene Wasser ‘bestrebt’ sein, sich den Feuchtigkeitsverhältnissen der Raumluft anzupassen. Dies bringt einen intensiven Wasserverlust, insbesondere in der Estrichrandzone, mit sich, der zu einer Volumenverringerung und damit zu einer Verkürzung der Plattenoberseite führt. Dies bedingt ein Anheben der Randbereiche im Verhältnis zur Restplatte, was im Fachjargon als ‘Aufschüsseln’ der Konstruktion bezeichnet wird. Der hier dargestellte Effekt ist vergleichbar mit einer Brotscheibe, die über Nacht auf einem Tisch liegen gelassen wird und bei der am nächsten Tag eine ähnliche Verformung festgestellt werden kann. Weitere Informationen zum Verschüsselungsverhalten finden Sie in Kapitel 12.9.1.1. Nachdem der Faktor ‘Zeit’ eine immer wichtigere Rolle auf unseren Baustellen spielt, kommt es leider immer wieder vor, dass der Fliesenleger entgegen seiner Prüfpflicht auf eine Feuchtigkeitsmessung des Estrichs verzichtet. Dieser Umstand wirkt sich heute noch negativer als in der Vergangenheit aus, da Fliesen immer dichter gesintert werden (Stichwort ‘Feinsteinzeug’), damit sie möglichst wenig Wasser, z. B. in Außenbereichen, aufnehmen. Dadurch wird die Feuchtigkeit im Estrich zu einem zunehmenden Problem, an dem auch die weniger dampfhemmende zementäre Verfugung in der Fläche kaum etwas verändert. Wenn der Fliesenleger also ohne CM-Messung seine Fliesen auf die aufgeschüsselte Lastverteilungsplatte schon zwei bis drei Wochen nach deren Verlegung aufbringt, kann man davon ausgehen, dass er kurz darauf die elastische Verfugung zwischen Wand und Bodenfliese vornimmt. Im Laufe der Zeit trocknet nun die noch relativ feuchte Konstruktion entsprechend ihren Möglichkeiten aus, was zu einer Entspannung und zu einer Veränderung der Höhenlage führt. Die ehemals erhöhten Ränder werden sich absenken; dies wäre allein schon ausreichend, um den Abriss der Fuge zu bedingen. Hinzu kommt aber nun noch die Tatsache, dass sich die zu früh belegte Estrichplatte noch im Zustand des Austrocknens befindet, ein Vorgang, der unweigerlich einen Schwindvorgang mit sich bringt. Der Estrich ‘möchte’ sich über seine gesamte Dicke verkürzen, woran er an seiner Oberseite durch den starren Fliesenbelag gehindert wird. Es kommt zu einer konvexen Verformung der Gesamtkonstruktion, die eine zusätzliche Randabsenkung bewirkt. Dieses Phänomen bezeichnet man allgemein als ‘Bimaterialeffekt’, welcher durch eine zu früh vorgenommene zementäre Fliesenverfugung innerhalb der Fläche sowie durch eindringendes Putzwasser noch verstärkt wird. Solche Schäden können bei hohen Feuchtegehalten aus meiner Sicht auch nicht oder kaum durch das Absperren des Untergrundes mit EP-Harz verhindert werden, da eine solche Maßnahme die Schwindung des Estrichs in der Praxis meist nur verlangsamt.

Randabsenkung mit konvexer Verformung der Konstruktion durch zu frühe Belegung mit dem Fliesenbelag

Randabsenkung Zoom

Hohllage der Fliesen im Randbereich durch konvexe Verformung Geplant werden elastische Fugen meist mit einer Dicke von 1 cm, wobei sie in der Realität meist dünner ausfallen. Sie verfügen üblicherweise über eine Dehnfähigkeit von ca. 20 % bezogen auf ihre Dicke, was bedeutet, dass sich der Estrich um maximal 2 mm absenken dürfte, ohne dass die Fuge dadurch schadhaft würde. Ein normengerecht eingebrachter Estrich darf sich aus den oben genannten Gründen jedoch ohne weiteres um 5 mm (evtl. sogar mehr) absenken, ohne dass dies zu beanstanden wäre. Der Abriss der Fuge wird deshalb die Regel sein, Ansprüche können daraus üblicherweise nicht abgeleitet werden.

16.1.2 Resümee
Die Situation ist in Fachkreisen heute bekannt und wird nicht mehr kontrovers diskutiert. Dies ist auch dem Merkblatt l3l ‘Keramische Fliesen und Platten, Naturwerkstein und Betonwerkstein auf zementgebundenen Fußbodenkonstruktionen mit Dämmschichten’ des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes, Stand September 1995, zu entnehmen, welches darauf hinweist, dass „(…) die unvermeidbaren Verformungen der schwimmenden Konstruktionen in der Regel die Elastizität der Fugenfüllstoffe überschreiten. (…)“. Bereits im Jahre 1983 wurde darauf hingewiesen, dass elastische Fugendichtungsmassen ‘wartungsbedürftig’ sind. Will der Bauherr diese Erscheinung also vermeiden, bleibt ihm nichts anderes übrig, als mit der Verfugung so lange zu warten, bis die Aufschüsselung des Estrichs auf ein akzeptables Maß zurückgegangen ist. Nachdem hierfür mindestens ein Jahr eingeplant werden sollte, läuft er Gefahr, dass Wasser in die nicht verschlossene Randfuge eindringen kann. Insofern halte ich es für sinnvoll, die Verfugung nach Verlegung der Fliesen vorzunehmenund die Bauherrschaft darauf hinzuweisen, dass sie diese innerhalb von ca. zwei Jahren erneuern sollte. Verzichten sollten wir in diesem Zusammenhang auf den Terminus ‘dauerelastische Fuge’, da uns allen bekannt ist, dass auf Dauer nur wenige Materialien als ‘elastisch’ bezeichnet werden können und diese Titulierung falsche Erwartungen weckt. Wird die Bauherrschaft in dieser Weise bereits vorbereitet, ist der Schreck auch nicht mehr so groß, wenn sie eines Tages das Bad betritt und den Fugenabriss vorfindet. Um zu wissen, dass es hierzu kommen wird, ist es nicht notwendig, mit astrologischen Kenntnissen bewandert zu sein – in derRegel genügt ein wenig Verständnis für Bauphysik und unser gesunder Menschenverstand.

Mögliche Wirkungsmechanismen beim Abriss elastischer Fugen

16.1.3 Extreme Randabsenkungen bei Parkettböden
In letzter Zeit habe ich auch in vereinzelten Fällen sehr intensive Randabsenkungen in Zementestrichen unter Parkettböden festgestellt. Hier liegen ähnliche, wenn auch nicht die exakt gleichen Wirkfaktoren, wie bei keramischen Böden vor. Manchmal spielt hier der Faktor eine Rolle, dass die Estriche mit dem Ziel der früheren Belegung mit Kunstharz abgesperrt wurden. Es ist zu erwarten, dass zu diesem Zeitpunkt die Estriche auch noch relativ intensiv verschüsselt waren. Später trocknet dann der Estrich oft per Diffusion durch die Absperrung hindurch und es kommt zu einer Schwindung des Estrichs, die mit einer Absenkung einhergeht. Es sind in dieser Konstellation auch bei Parkett konvexe Verformungen, d. h. Absenkungen über die Nulllage hinweg denkbar, wenn der Parkett schubfest mit dem Estrich verbunden wird. In anderen Fällen wurde spekuliert, ob die Verwendung von Trocknungsbeschleunigern eine Rolle spielen kann. Der ‘Trick’ einiger Beschleuniger besteht darin, auf Dauer eine in Relation zum Standardestrich erhöhte Haushaltsfeuchte im Estrich zu gewährleisten, die gebunden und damit unschädlich für den Bodenbelag ist. Auf diese Weise wird gewährleistet, dass die Differenz zwischen Belegfeuchte und Haushaltsfeuchte nicht zu relevanten Schwindverformungen führt. Dieser Faktor könnte als Auslöser für extreme Randabsenkungen nur dann eine Rolle spielen, wenn es tatsächlich nicht gelingen würde, die Haushaltsfeuchte dauerhaft auf einem höheren Niveau zu halten. Ich habe einen solchen Fall in der Praxis noch nicht angetroffen. Man hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass bei in der kalten Jahreszeit hergestellten Zementestrichen (auch ohne Beschleuniger) häufig intensivere Rückverformungen auftreten. Dies mag mit der Tatsache zusammenhängen, dass diese an der Oberfläche durch die günstigeren Bedingungen oft zu schnell trocknen und es dann zu einem Kapillarabriss zwischen der Ober- und der Unterseite kommt. Die Trocknung erfolgt dann verstärkt über Diffusion und dieser Prozess kann relativ lang dauern. Es kommt dann im Zuge der weiteren Trocknung häufig noch zu einer weiteren Rückverformung. Es sollte hier streng getrennt werden zwischen den völlig normalen leichten Absenkungen, die bei fast jedem Zementestrich auch unter Parkett auftreten und extremen Absenkungen wie in dem folgenden Bild zu sehen.

Intensive Randabsenkung bei einem Parkettboden

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