Dr.Estrich Als Handwerker in der Fremde, Teil II

Verfasser des Beitrags: Dr. Unger, Donauwörth, Fachjournalist und Autor des FUSSBODEN ATLAS®


Bauen wie Gott in Frankreich

Wer heute als Handwerker überleben will, dessen Horizont sollte nicht an der Landkreisgrenze aufhören. Dr. Unger berichtet in seiner Rubrik „Dr. Estrich“ exklusiv in bwd von seinen Auslandserfahrungen -Teil II: Evry, Frankr

Im Vergleich

Andere Länder, anderer Estricheich.

  Übliche Körnung Übliches Mischungsverhältnis (Massenanteile) Übliche Estrichdicke Wohnbau CT-S Übliche Estrichdicke Industriebau CT-T Feuchtigkeitsmessung
Deutschland

0 – 8 mm

1 : 6

45 mm

80 mm

CM Messung

England

0 – 4 mm

1 : 6

65 mm

75 mm

hygrisch/elektrisch

Frankreich

0 – 4 mm

1 : 6

45 mm

60 – 70 mm

elektrisch

Italien

0 – 8 mm

1 : 6

45 mm

60 – 70 mm

CM-Messung

Spanien

0 – 8 mm

1 : 6

45 mm

60 – 70 mm

Protimetergerät

 

,.Sand und Zementlieferungen innerhalb Frankreichs sind für uns überhaupt kein Problem!“ Diese erfreuliche Auskunft gab mir unser örtlicher Baustoffhändler auf die Frage, ob er eine Baustelle in Evry bei Paris beliefern könne. Ja, die Materialbeschaffung sei durch die Zugehörigkeit zu einem internationalen Konzern ein Leichtes…Schließlich sind wir ja in Europa!“ Ich war ehrlich erleichtert ob dieser Aussage. Zuvor hatte ich selbst versucht , Sand und Zement bei einem französischen Baustoffhändler vor Ort zu bestellen. Als dieser mir seine Preisvorstellungen nannte, die sich aufs Dreifache unseres örtlichen Tarifs beliefen, hatte ich mein Ansinnen aufgegeben. Anscheinend wollte der Gute mit einem unbekannten Kunden aus Deutschland ei n Schnäppchen machen. Nu r leider dauerte es bis zu m Rückruf des lokalen Baustoffpartners nicht lange. Sei­ ne Anfrage beim französischen Partnerunternehmen war daran gescheitert, dass die Ansprechpartnerin kein Deutsch oder Englisch verstand. Nach dreimaligem Weiterverbinden wurde das Gespräch beendet. Es würde also doch nicht so einfach werden. Ich sagte zu, die entsprechende Bestellung in französischer Sprache zu verfassen, so dass er sie per Fax versenden könne. Doch als die sprachliche Hürde gemeistert war, stellte sich heraus, dass unser Baustoffhändler nicht auf der autorisierten Bestellerliste des vermeintlichen Partnerunternehmens auftauchte. Dort fand sich nur dessen deutsche Zentrale. Weil schon am nächsten Tag mein Flug nach Paris anstand, um die Baustelle abzuwickeln, versprach er mir die unbürokratische Lösung des Problems. Sei n Anruf erreichte mich am Flughafen in Stuttgart. Er sagte mir, alles sei geregelt, die Lieferung treffe am nächsten Tag ein. Um sicher zu gehen, brach ich noch am gleichen Tag mit einem Mietwagen auf zum Baustoffhändler, schließlich wurden a m Folgetag Sand und Zement wirklich d ringend benötigt. Leider wusste man dort nichts von einer Bestellung, bot mir aber an, die Ware zu liefern, sofern ich – ohne jegliche offizielle Legitimation – die Bestellung im Auftrag unseres Lieferanten unterzeichnete. Die Baustellenbegehung war unkompliziert , es handelte sich um einen Trennschichtestrich. Im Unterschied zu Deutschland kommt diese Variante bei einem solchen Objekt in Frankreich oft zur Anwendung. Anscheinend bestehen Schallschutzanforderungen nicht in dem Maße wie bei uns, obschon es sich in Evry um ein Einkaufszentrum handelte. Ein Ansprechpartner des Auftraggebers hatte versprochen, mir ein Hotelzimmer zu besorgen. Ich könne wählen zwischen einer 30 beziehungsweise 50 Euro teuren Übernachtung. Da ich die Preise rund um Paris kenne, schien mir beides verdächtig günstig, also entschied ich mich für die 50-Euro-Kategorie. Plötzlich hieß es, das Hotel sei ausgebucht, so dass ich die billigere Alternative nehmen musste. Ich kam dort nachts an und stellte fest, dass der Portier hinter einer Art Antivandalismusgitter saß und auf Vorauszahlung für mein Zimmer bestand. Wände, Boden und scheinbar sogar die Decke waren dort mit Teppich belegt. Als ich die Bettdecke zurückschlug, schreckte ich ei n Insekt auf, das blitzschnell in der Matratze verschwand. Spät nachts klingelte plötzlich das Telefon. Der für uns tätige Estrich- Nachunternehmer wollte mir nicht vorenthalten, dass er ein Zimmer aufgetan hatte, das deutlich weniger als die von mir bereits bezahlten 30 Euro kostete. Ob ich wohl die Adresse wolle? Freundlich, aber entschieden lehnte ich ab.

 

Bitte nicht mehr anrufen

Tags darauf trafen der Nachunternehmer, der Sand- und Zementlieferant und ich am Morgen etwa um die gleiche Zeit auf der Baustelle ein. Es stellte sich heraus, dass Zement- sowie Gesteinskörnung für die Estrichverlegung gut geeignet waren. Ein Hoch auf die europäische Normung! Mit der Bitte, mich sofort anzurufen, falls Probleme auftreten sollten, verabschiedete ich mich in Richtung Flughafen. Keine zehn Minuten später blinkte die Nummer des Subunternehmers im Display meines

Mobiltelefons. Ich war beunruhigt! Er wollte mir aber nur sagen, dass die erste Meinung bestens laufe. Ich dankte ihm für diese Information, erinnerte ihn aber nochmals, er möge mich bitte künftig nur anrufen, wenn Probleme auftreten. Das hielt ihn nicht davon ab, mir in zwei weiteren Telefonaten mitzuteilen, dass auf der Baustelle alles problemlos funktioniere. Einerlei, jedenfalls schien in der Tat alles reibungslos zu verlaufen. Aus der Tatsache, dass der beschleunigte Estrich nach kurzer Zeit belegt wurde, schloss ich, dass es keine Beanstandungen gegeben hatte. Ein halbes Jahr verging, bis sich unser heimischer Baustoffhändler und sein Konzernpartner in Paris einigten, wie die Lieferung fakturiert würde. Natürlich erwartete ich von unserem bekannten Partner wesentlich bessere Konditionen im Vergleich zu einem uns völlig unbekannten Unternehmen in Paris. Entsprechend erstaunt war ich, als der örtliche Baustofflieferant stattdessen mehr Geld

verlangte, als die Pariser Firma vor Ort in der direkten Abwicklung mit uns. Ich wies die Forderung zurück und wir einigten uns auf ein gemeinsames Gespräch. Dabei wurde deutlich, dass offenbar der Mutterkonzern verfügt hatte, dass für transnationale Geschäfte zwischen den Partnern desselben Konzerns horrende Preise verlangt werden sollten. Ich sagte, dass wir sogar vor Ort in Paris als völlig unbekannter Kunde bessere Konditionen bekommen hätten. Endlich lenkte der Lieferant ein und war bereit, mir einen Freundschaftspreis zu machen. Überdies habe er versucht, mit dem für Deutschland verantwortlichen Kollegen in Frankreich die Sache zu besprechen, doch spreche dieser kein Deutsch. Offenbar ist dies in Frankreich kein Hinderungsgrund für die Berufung auf solch eine Stelle. Unser Gespräch war zu meiner Zufriedenheit beendet, der Geschäftsführer des Baustofflieferanten wandte sich zum Gehen. „Ach, Herr Unger, eines noch …“, hob er an . „Ja, bitte?“ Der Geschäftsführer rang mit den Worten: „Wenn Sie mal wieder eine Baustelle in Frankreich haben …“. „Ja?“ Dann sagte er:

.,Rufen Sie uns bitte nicht an! Es wird für uns zu teuer.“

Dr. Unger

info@lussbodenatlas.de

 

 

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