Um einen Bodenbelag risikofrei zu verlegen, müssen auf Baustellen bestimmte Temperaturen und Luftfeuchtigkeiten eingehalten werden. Was aber tun, wenn die bauklimatischen Bedingungen nicht den Vorgaben entsprechen? Wir haben uns umgehört.
bwd Für die Verlegung von Bodenbelägen fordern die einschlägigen Normen, Merkblätter etc., beispielsweise eine Raumtemperatur über 18 Grad Celsius und eine Bodentemperatur über 15 Grad Celsius. Auch sollte das Verlegeklima idealerweise dem späteren Nutzungsklima entsprechen. In Wohnräumen und Büros beschreibt dies Temperaturen zwischen 22 und 26 Grad bei einer relativen Luftfeuchte von 30 bis 65 Prozent. Wie oft finden Sie diese idealen Bedingungen auf der Baustelle vor?
Sachverständigenbüro Dr. Unger Oberflächen- und Raumtemperatur passen im Normalfall. Zwischen Dezember und Februar werden diese gelegentlich unterschritten, wenn die Heizung noch nicht läuft oder Türen und Fenster noch nicht verbaut sind. Über das spätere Nutzungsklima klären wir im Zuge unserer Hinweispflicht auf. Kontrolliert wird dieses von uns nicht. Wichtig ist aus unserer Sicht, dass die klimatischen Bedingungen während der Verlegung und in den darauf folgenden sieben Tagen konstant bleiben, da in dieser Zeit der Klebstoff abbindet und dieser einer Dimensionsveränderung der Beläge erst nach vollständiger Aushärtung standhält.
Martina Schott Man muss zwischen Verlegeklima und Nutzungsklima differenzieren. Bei der Verlegung finden wir die notwendigen Bedienungen vermehrt vor. Wenn nicht, schaffen wir diese. Nach Abnahme und durch die Übergabe der Pflegeanweisung des Herstellers wird der Nutzer angehalten, die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit auf dem vorgegebenen Niveau zu halten. Der Nutzer wurde aufgeklärt. Ich kontrolliere die Einhaltung der vorgegebenen Werte bei Nutzung nicht mehr.
Thomas Allmendinger Bis auf wenige Ausnahmen, zum Beispiel aufgrund von Heizproblematiken, entsprechen die angegebenen Klimata durchaus denen in der Regel vorherrschenden Bedingungen.
bwd Welche Faktoren führen am ehesten zu Problemen?
Sachverständigenbüro Dr. Unger In der heißen Jahreszeit die fehlende Beschattung, besonders bei der Verlegung von PVC- und Kautschukbelägen. Der Klebstoff bindet zu schnell ab und es kommt zu Dimensionsänderungen am Belag. Im Sommer, vor allem in der Nacht, die hohe Luftfeuchtigkeit, besonders dann, wenn zusätzlich durch andere Gewerke Feuchtigkeit in das Gebäude eingebracht wird. Dies wirkt sich besonders negativ auf Nadelvliesbeläge und Parkettböden aus sowie auf das Abbindeverhalten aller Dispersionsklebstoffe. Im Winter die fehlende Heizung, was jedoch selten vorkommt, da dadurch fast alle Gewerke behindert wären.
Martina Schott Die häufigsten Probleme liegen meines Erachtens in der Schnelligkeit der Ausführung. Überspitzt gesagt: Kaum ist der Dachstuhl auf dem Rohbau wollen die Nutzer einziehen und der Boden soll verlegt werden. Hierzu kommt, dass viele verschiedene Gewerke gleichzeitig auf der Baustelle arbeiten und kaum noch einer auf den anderen Rücksicht nimmt, da jeder seine vorgegebenen Ausführungsfristen einhalten möchte. In der Renovierung liegen die häufigsten Probleme bei dem Fehlen eines Planers. Trockenbauer, Maler, evtl. Heizungsbauer, Fensterbauer, Parkett-/Bodenleger müssen koordiniert werden. In vielen Fällen klappt das nicht, wenn keiner das „Zepter“ in der Hand hat. Mit Luftfeuchtigkeit, Temperatur usw. haben wir die wenigsten Probleme, da wir ja die Möglichkeit der schriftlichen Bedenkenanmeldung nutzen und auf diese Art der Beschwerde wird meist reagiert.
Thomas Allmendinger Nach meinen Erfahrungen liegen die häufigsten Problemstellungen während der Bauphase in – aufgrund fehlender Beheizungsmöglichkeiten – zu niedrigen Temperaturen und oft damit einhergehenden Trocknungsproblematiken vor.
bwd Wie gehen Sie vor, wenn die raumklimatischen Bedingungen nicht dem entsprechen, was für eine ordentliche Verlegung notwendig ist?
Sachverständigenbüro Dr. Unger Hier sollten wir als erstes im Zuge unserer Prüfpflichten Bedenken gegen die raumklimatischen Bedingungen anmelden und dies mit dem Auftraggeber besprechen. Als Lösung bieten wir Heizgebläse, bauliche Maßnahmen wie das provisorische Schließen von Fenstern und Beschattungen, und Luftentfeuchter an. Diese Leistungen müssen selbstverständlich vergütet werden.
Martina Schott Dann schaffen wir diese Voraussetzungen nach Absprache mit Eigentümer, Bauleiter etc. beispielsweise durch Heizen oder Lüften. Ohne annähernd vernünftiges Raumklima findet keine Verlegung statt. Und wenn sie denn sein muss, nur mit schriftlicher Bedenkenanmeldung.
Thomas Allmendinger Mit schriftlichem Anmelden von Bedenken gemäß den Vorgaben der gültigen Normen.
bwd Lassen sich Bauherren und Architekten für die Zusammenhänge zwischen einem ungeeignetem Verlegeklima und einem damit verbundenen Schadenrisiko sensibilisieren? Sind sie kooperativ? Verfügen sie über entsprechendes Fachwissen?
Sachverständigenbüro Dr. Unger Über eine dementsprechende Sensibilisierung für diese Themen verfügen viele Bauleiter und Bauherren nach unserer Erfahrung nicht. Des Weiteren wird diese Thematik von den meisten Bauleitern und Bauherren auch nicht wirklich ernst genommen, da es ja bei den „anderen Bauvorhaben“ auch immer irgendwie funktioniert hat. Man geht also davon aus, dass der Handwerker schon irgendwie zurechtkommen wird und sich ansonsten schon rühren mag. Wirklich ernst nehmen es nur diejenigen, die einen durch die raumklimatischen Bedingungen resultierenden Schadensfall an einem ihrer Objekte hatten oder über langjährige Bauerfahrung verfügen.
Martina Schott Bauherrn und Architekten, solange diese im privaten Wohnbau tätig sind, haben meist wenig Fachwissen, lassen sich aber sehr gut sensibilisieren, sind stellenweise sehr kooperativ und einsichtig. Schwieriger wird es bei Großbaustellen. Hier hat der Bauleiter vom Generalunternehmer genaue Vorgaben zum Fertigstellungstermin. Teilweise drohen Vertragsstrafen bei Nichteinhaltung. Hier ist der Ton schon mal rauer und die Einsicht wenig vorhanden. Es zählt nur die Einhaltung der Vorgaben. Wie diese erreicht werden, ist oft egal. Wobei auch hier wenig Fachwissen in speziellen Detailarbeiten vorhanden ist.
Thomas Allmendinger Privaten Auftraggebern können die Risiken durchaus vermittelt werden und entsprechenden Erläuterungen werden durchaus Rechnung getragen. Bei größeren Bauvorhaben und im Objektbereich gestaltet sich eine solche Aufgabe deutlich schwieriger. Hier werden Eigeninteressen oft möglichen Schadensrisiken vorangestellt. Gerade hier ist es notwendig, sich nicht auf faule Kompromisse einzulassen.
bwd Wie gehen Sie mit zu feuchten oder nicht belegreifen Estrichen um?
Sachverständigenbüro Dr. Unger Mit diesem Thema sind wir oft konfrontiert, zumal wir ja Estriche und Bodenbeläge verlegen. Als Bodenleger, der Fremdestriche belegt, müssen wir im Zuge unserer Prüfpflichten Bedenken anmelden. In letzter Konsequenz entscheidet der von einem Planer beratene Bauherr, wie er damit umgeht. Die Mittel der Wahl sind Abwarten — häufig wenig geschätzt—, technische Trocknung — von uns empfohlen- oder als letzte Möglichkeit bei Zementestrichen die Absperrung mit einer Epoxidharz- oder PUR-Grundierung. Dies ist jedoch eine Sonderkonstruktion und bedarf einer einzelvertraglichen Vereinbarung. Es sollte dann auch über die Randfugen nachgedacht werden, da wir schon oft erlebt haben, dass die Restfeuchtigkeit hier mit der Zeit austritt und zu Schimmel an der Unterseite der Holzsockelleisten führt. Zudem sollte man vor einer solchen Maßnahme die Verformung des Estrichs prüfen. Ist er noch sehr verschüsselt und trocknet danach der Estrich per Diffusion durch die Absperrung hindurch, kommt es oft zu intensiven Rückverformungen und in der Luft hängenden Randleisten.
Martina Schott Wenn die Zeit vorhanden ist, werden verschiedene Maßnahmen ergriffen, um den Estrich vor der Belagsverlegung in einen verlegereifen Feuchtigkeitszustand zu bringen. In manchen Situationen wird der Estrich aber auch schon mal gegen Feuchtigkeit abgesperrt, wobei das nicht meine Lieblingsvorgehensweise ist.
Thomas Allmendinger Nicht verlegen.
bwd Sind Sie durch den Zwang, Fristen einzuhalten, schon einmal ins Risiko gegangen?
Sachverständigenbüro Dr. Unger Es wird oft versucht, das Risiko auf den Auftragnehmer abzuwälzen. Viele Handwerker lassen sich durch Fristsetzungen und böse Briefe einschüchtern, da sie sich ihrer Rechte und Verantwortung nicht bewusst sind. Damit ist aber niemand geholfen. Wir dürfen die Probleme von anderen nicht zu unseren machen, was natürlich nicht heißt, dass man nicht an einer gemeinsamen Lösung arbeiten sollte. Diese darf jedoch nicht auf dem Rücken des Bodenlegers ausgetragen werden. Eine rechtlich wirksame Freistellung mit dem Hinweis auf mögliche Folgen kann hier weiterhelfen, schützt aber meist nicht vor dem Ärger bei einem möglichen Rechtsstreit.
Martina Schott Das kommt vor. Wir werden jedoch nur tätig, wenn das Risiko überschaubar ist, der Bauherr schriftlich informiert und einverstanden ist und der eventuell mögliche Schaden händelbar ist.
Thomas Allmendinger In meiner Firma nicht. Dennoch sind mir sehr viele Betriebe bekannt, welche unter Druck gesetzt und dahingehend bedrängt werden, die Versäumnisse anderer Parteien auszugleichen.
bwd Hatten Sie schon einmal mit einem Schaden zu tun, der nachweislich auf ein ungeeignetes Verlegeklima zurückzuführen war?
Sachverständigenbüro Dr. Unger Ja, hauptsächlich mit wenig dimensionsstabilen PVC-Belägen. Bei einem Nadelvlies mit ungeeigneter Unterlage konnten wir im Winter zusehen, wie die Fugen aufgingen. Das lag aber am Klima im Zuge der Nutzung.
Martina Schott Ja, des Öfteren. In ganz unterschiedlichen Richtungen und mit ganz unterschiedlichen Auswirkungen. Auch die nicht eingehaltene Akklimatisierung des Belags vor der Verlegung war schon Schadensthema.
Thomas Allmendinger Ja.
bwd Erstaunlicherweise kommt es trotz häufig ungeeigneter klimatischer Bedingungen zu vergleichsweise wenig Schäden. Welche Erklärung haben Sie dafür?
Sachverständigenbüro Dr. Unger Die Industrie hat in ihren Verlegehinweisen einen großen Sicherheitspuffer eingeplant, so dass auch bei einer gewissen Überschreitung bzw. Unterschreitung der raumklimatischen Toleranzen oft eine schadensfreie Verlegung möglich ist. Und manchmal haben wir halt einfach Glück gehabt! Allerdings haben wir auch einige heftige Schäden erlebt, die tatsächlich auf ungeeignete klimatische Bedingungen zurückzuführen waren. Ich hatte einmal bei einem Gutachten eine ca. 15 mm dicke Spachtelmasse auf einem Calciumsulfatfließestrich, die Letzteren auf ca. 1.000 Quadratmetern in handliche Stücke zerrissen hat. Auslöser war wohl unter anderem das Raumklima zum Zeitpunkt der Verlegung.
Martina Schott Die Vorgaben der klimatischen Bedingungen sind meines Erachtens sehr niedrig angesiedelt. Hier kommt es dann tatsächlich auf die Wahl der verwendeten Materialien an. Beispielsweise wird ein qualitativ hochwertiger textiler Bodenbelag weniger auf Feuchtigkeit aus dem Untergrund reagieren als ein dampfdichter PVC-Belag. Auch bei Holzbelägen gibt es anfälligere Holzarten und Holzarten, die einiges abkönnen. Ob bei ungeeigneten klimatischen Bedingungen Schäden entstehen oder nicht, liegt ebenfalls an der Wahl der verwendeten Bauchemie. Wir sind in der Lage, durch die fachgerechte Vorbereitung des Untergrundes und der Wahl einer für diesen Zweck geeigneten Bauchemie Beläge auf feuchte Estriche zu kleben. Hierfür ist es aber notwendig, sich mit den vorhandenen Bedingungen auseinanderzusetzten und auch die Bauchemiehersteller ins Boot zu holen. Bei solchen Extremfällen kann Fachwissen nicht schaden.
Eine einheitliche Lösung für solche Fälle gibt es nicht. Hier muss immer der Einzelfall bewertet und alle Materialien auf den Einzelfall abgestimmt werden.
Thomas Allmendinger Die Vorgaben für die klimatischen Bedingungen während den Einbauphasen von Fußbodenkonstruktionen werden durchaus beachtet. Zudem ist wohl auch die hohe Qualität von Hilfswerkstoffen ein Grund, weshalb es auch bei kritischen raumklimatischen Bedingungen nicht zwangsläufig zu Schäden kommt. Die meisten Beanstandungen, welche auf ungeeignete raumklimatische Bedingungen, aber auch auf nicht immer in hoher Qualität zur Anwendung kommenden Parkett- und Bodenbelagausstattungen selbst zurückzuführen sind, werden erst im Nutzungszeitraum angezeigt.
Die Fragen stellte Stefan Heinze
„Man geht davon aus, dass der Handwerker
schon irgendwie zurechtkommen wird.“
Sachverständigenbüro Dr. Unger
„Ohne annähernd vernünftiges Raumklima
findet keine Verlegung statt.“
Martina Schott
„Privaten Auftraggebern können die Risiken
durchaus vermittelt werden.“
Thomas Allmendinger
Thomas Allmendinger ist Inhaber der Parkett Allmendinger GmbH in Ellwangen.
Martina Schott ist Geschäftsführerin der M. Schott & Tochter Raumausstattung GmbH, Hebertshausen.
Für das Sachverständigenbüro Dr. Unger, Donauwörth, beantworteten die Fragen Dr. Alexander Unger und Bastian Nickolaus.
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