Seminar „Beschichtungen für Fußböden – Kenntnisse und Applikationsverfahren“ am 17.11.2016

Bericht verfasst von Dr. Alexander Unger, Donauwörth, Fachjournalist und Autor des FUSSBODEN ATLAS®
Der Beitrag beinhaltet teils wörtliche Zitate aus den einzelnen Skripten.

Am 17.11.2016 befand ich mich auf Einladung von Frau Dipl.-Ing. Gabriela Gottwald in der Bayerischen BauAkademie in Feuchtwangen. Die Begrüßung der Teilnehmer übernahm Herr Dipl.-Ing. Stephan Rost. Als Leiter der Abt. Bautechnik innerhalb der Bayerischen BauAkademie kümmerte er sich um die Organisation der Veranstaltung.

Vorab darf ich bereits sagen, dass sowohl das Seminar selbst gut gehalten war, als auch der Veranstaltungsort Bayerische BauAkademie sich sehr gut für derartige Veranstaltungen anbietet. Neben guten Schulungsräumen bieten sich hier auch Möglichkeiten für praktische Vorführungen in den naheliegenden Hallen.

Infos zur Bayerischen BauAkademie finden Sie unter

www.baybauakad.de

Zu den einzelnen Vorträgen:

Normungen, Grundlagen
Anforderungen an den Untergrund,
referiert von Herrn Sachverständigen Peter Körber, der im Bereich von Industrieböden, Reaktionsharzböden, Estrichen und Bodenbelägen tätig ist

Der Referent wies zunächst darauf hin, welche Untergründe generell beschichtet werden können. Er zeigte auf, dass Bituphalt- und Thermophaltestriche i.d.R. selbst mit weichen Beschichtungen nicht versehen werden sollten. Probleme gibt es auch regelmäßig bei Doppelbodenelementen oder Steinholzestrichen sowie Holzplatten wegen deren Flexibilität. Weiterhin wies er darauf hin, dass Wassergläser auf Betonen oder Zementestrichen bei einer späteren Beschichtung Osmose fördern können, insofern noch freies Wasser vorhanden ist. Bei hohen Einzellasten sollten auf Grund der Druckkegeltheorie dickere Beläge statt dünnen Beschichtungen zum Einsatz kommen.

Der Referent wies darauf hin, dass viele Beschichtungshersteller Untergründe bei ≤ 4 CM-% zur Beschichtung frei geben. Hier sollte man abklären, ob es sich tatsächlich um CM-% oder Masse-% handelt. Weiterhin stellte Herr Körber die Rautiefenprüfung mit Hilfe von feinem Quarzsand vor. Sollte zur Untergrundvorbereitung Flammstrahlen zum Einsatz kommen, so sollte man im Nachgang auch immer fräsen. Aus eigener Erfahrung stellte der Referent bei der Untergrundvorbehandlung mit Kugelstrahlen häufig höhere Oberflächenzugfestigkeitswerte fest, als mit dem Diamantschleifen. Er führte dies in letzter Konsequenz auf die verbleibende Rauigkeit beim Kugelstrahlen zurück.

Besonderen Wert legte der Sachverständige auf die Einhaltung der 3 Grad-Regel über dem Taupunkt, sodass im Zuge des Beschichtens keine Schäden durch Tauwasserbildung z.B. an PUR- und EP-Materialien auftreten, die dahingehend empfindlich sind. Wichtig war dem Referenten auch, dass Grundierungen generell die Kapillaren schließen müssen, um folgende Blasen zu vermeiden. Eine dichte und ausreichend dicke Grundierung kann in diesem Zusammenhang auch Osmose reduzieren. Man sollte unbedingt daran denken, die Gebinde umzutopfen, um Materialstörungen durch nicht homogenvermischte Komponenten zu vermeiden. Weiterhin sollten die folgenden Mindestdicken beachtet werden:

  • Kunstharzestrich ≥ 5 mm
  • Kunstharzversiegelung ≥ 0,10 mm
  • Kunstharzbeschichtung ≥ 0,5 mm
  • Kunstharzbeläge ≥ 2 mm

Herr Körber wies darauf hin, dass bei Ingenieurbauten Firmen möglichst keine freien Angebote abgeben sollten. Hier ist ein sachkundiger Planer einzuschalten, der mindestens einen SIVV-Schein vorweisen können sollte. Bei Pressfugen wies Herr Körber darauf hin, dass diese trotz der Tatsache, dass die Bewehrung durchgeht, wie Scheinfugen bewertet werden müssen. Insofern sollten hier entsprechende Fugen in der Beschichtung angelegt werden. Die Abweichung aus der Geraden von solchen Fugen darf ungefähr ± 3 mm betragen. Diesbezüglich ist sehr viel Information dem neu erarbeiteten BEB-Merkblatt ‚Industrieböden aus Reaktionsharz – Leitfaden für Fußbodenkonstruktionen im nassbelasteten Lebensmittelbereich -‘, Stand: Oktober 2015, BEB – Arbeitsblatt KH 6 zu entnehmen.

Nass belastete Lebensmittelbereiche, referiert von Herrn Peter Körber

In derartigen Flächen ist häufig nicht nur mit dem Einsatz von heißem Wasser, sondern auch mit Fetten, Milchsäuren und Desinfektionsmitteln zu rechnen. Gerade in Schlachthöfen werden z.B. auch regelmäßig die Wände desinfiziert. Standardbeschichtungen sind i.d.R. bis 60 Grad Celsius dauerhaft temperaturbeständig. Kurzfristig können es durchaus auch einmal 80 Grad Celsius sein. Benötigt man höhere Resistenzen, so sollte man z.B. auf PU-Beton zurückgreifen, der ca. bis 120 Grad Celsius beständig sein kann.

In derartigen Nutzungen sollten generell keine Bitumenbeschichtungen eingebracht werden, wenn mit Fett und Milchsäureanfall zu rechnen ist. Ein wichtiges Thema ist auch regelmäßig die Trittsicherheit. Bei Klassen ≥ R10 ist im Regelfall kein Wischen mehr möglich, sondern es müssen geeignete Reinigungsmaschinen eingesetzt werden. Bei schwimmenden Konstruktionen sollten auf Abdichtungen in nassbelasteten Lebensmittelbereichen grundsätzlich Drainage-Matten zum Einsatz kommen.

Hier gibt es generell die Diskussion, ob eher schwimmenden Aufbauten mit Abdichtungen oder Verbundkonstruktionen mit Verbundabdichtungen an der Oberseite der Vorzug gegeben werden sollte. Vom Aufbau sind die Verbundkonstruktionen etwas leichter einzubringen. Wenn es darum geht, dass das Wasser in Rinnen besonders schnell ablaufen soll, so kann man elektropolierte Materialien verwenden. Auf diese Weise wirkt die Temperatur kürzer auf den Boden ein.

Harze der Bauchemie, referiert von Herrn Stefan Großmann aus dem Hause Silikal

Der Beschichtungsexperte zeigte zunächst die grundsätzlichen Eigenschaften der verschiedenen Beschichtungsmaterialien auf.

Epoxidharz

Diese Materialien können in einem Temperaturbereich von 10 bis 35 Grad Celsius eingesetzt werden; die Härtung erfolgt zwischen zehn und 24 Stunden, die vollständige Durchhärtung ungefähr nach drei bis fünf Tagen. Die Reaktion erfolgt durch eine Polyaddition, bei der zwei Komponenten miteinander reagieren. Liegt die Temperatur unter 10 Grad Celsius, so kommt die Reaktion nicht geeignet zustande, auch, wenn es später wieder wärmer wird. Wenn Wasser in der Frühphase auf Epoxidharz einwirkt, so kommt es beim Zutritt von CO2 zu der Bildung von Carbonatsalz. Dies kann die Haftung zu darunter liegenden Schichten deutlich verschlechtern und es kommt zu einer Kreidung. Der Vorteil von Epoxidharz ist von jeher sein geringer Schrumpf und seine gute Haftung (auch auf Metallen). Eine gute chemische Beständigkeit ist besonders im alkalischen Bereich gegeben, sowie eine hohe Festigkeit. Leider neigt das Material zu einer gewissen Vergilbung, die einerseits durch Sonneneinstrahlung, andererseits aber auch bei Alterung auftreten kann. Epoxidharze sind i.d.R. kaum flexibel. Man sollte darauf achten, genau die richtige Menge Härter zuzugeben, damit die gewünschten Materialeigenschaften erzielt werden. Ein Mehr an Härter verbessert nicht die Qualität des Produktes.

Polyurethane

Diese Materialien können im Temperaturbereich zwischen 5 und 30 Grad Celsius verarbeitet werden, die Härtung dauert zehn bis 24 Stunden und eine vollständige Härtung drei bis fünf Tage. Bei der Reaktion handelt es sich um eine Polyaddition. Der Zutritt von Wasser in der Frühphase kann zu Schaumbildung und Blasen führen. Bei dem Material ist durch die Polyaddition mit wenig Schrumpf zu rechnen. Es haftet i.d.R. gut auf Untergründen und weist eine gute chemische Beständigkeit vor allem im sauren Bereich auf. Polyurethan kann gut flexibilisiert werden, wobei dies bei sehr weichen Produkten zu Lasten der Härte geht. Mit PUR können auch weitgehend vergilbungsfreie Produkte hergestellt werden. Auch dies kann jedoch ein wenig zu Lasten der Festigkeit gehen.

Acrylatbeschichtungen

Als ausgemachter Spezialist für Acrylatharzbeschichtungen befasste sich der Referent in der Folge insbesondere mit diesem Material. Dieses kann auch bei sehr niedrigen Temperaturen in einem Bereich zwischen -25 Grad Celsius bis ca. 30 Grad Celsius verarbeitet werden; die Härtezeit beträgt 20 bis 60 Minuten und eine vollständige Härtung ist nach zwei Stunden zu erwarten. Dies ist dann der Fall, wenn das Material nicht mehr warm ist und der sehr markante Geruch abgeklungen ist. Es handelt sich hier um eine Polymerisation, welche einen Aktivator benötigt.

Als Untergrund für diese Beschichtung sollte man calciumsulfatgebundene oder magnesitgebundene Untergründe meiden und in erster Linie hydraulisch gebundene Untergründe beschichten. In diesem Zusammenhang wies Herr Großmann noch darauf hin, dass Magnesiaestriche bei extremen Temperaturen durchaus untertrocknen können und dabei ihre Festigkeit verlieren. Deshalb versah man die Magnesiaestriche bereits damals mit einer Wachsschicht. Dies ist jedoch bei üblichen Raumtemperaturen kein Thema, sondern eher ein Fall für spezielle Klimata.

Das Aufbringen der Materialien auf Kunstharzestriche und Gussasphaltestriche ist möglich, es können im Ausnahmefall auch Fliesen und Metall beschichtet werden. Oberflächen müssen mindestens 1,5 N/mm2 an Oberflächenzugfestigkeit aufweisen, um mit Acrylat beschichtet werden zu können. Es ist immer eine Untergrundvorbehandlung z.B. durch Kugelstrahlen erforderlich. Nachfolgende Acrylatschichten lösen bestehende Acrylat-Materialien an und verbinden sich mit diesen.

Das Material ‚Acrylat‘ kennt man in fester Form als Plexiglas. Bei der Reaktion von MMA zu PMMA kommt es zu einem gewissen Schrumpf. Dieser muss jedoch durch die Oberflächenzone des festen Untergrunds abgetragen werden. Es kommt zu einer sehr schnellen Reaktion, die auch hohe Temperaturen freisetzt. Die Materialien haften sehr gut an Untergründen und weisen eine gute chemische Beständigkeit, besonders gegenüber organischen Säuren auf. Deshalb werden derartige Beschichtungen auch gerne im Lebensmittelbereich eingesetzt.

Der weitere Vorteil liegt in der schnellen Aushärtung der von MMA, was auch ‚Über- nachtsanierungen‘ möglich macht. Eine Flexibilisierung des Materials ist machbar und die Druckfestigkeit kann variabel eingestellt werden. Je nach Rezeptur kommt es zu einer gewissen Vergilbung, allerdings weniger als Epoxidharze und mehr als PUR. Bei hohen Umgebungstemperaturen kommt es zu sehr schnellen Reaktionen, was die Verarbeitung in warmen Räumen und Ländern zu einer sportlichen Angelegenheit macht.

Es sollte insbesondere darauf geachtet werden muss, dass der Aktivator feuergefährlich ist und bei Kontakt mit Funkenflug ein Brand entstehen kann. Insofern darf natürlich bei der Verarbeitung nicht geraucht werden und es dürfen auch keine leeren oder volle Fässer mit der Flex (Trennscheibe) angeschnitten werden. Acrylatbeschichtungen sind generell matt und können eher nicht glänzend ausgeführt werden.

Die Problematik bei Acrylat liegt an dem sehr intensiven Geruch. Der Arbeitsschutzwert liegt bei 50 ppm und eine dauernde Lüftung ist sicher zu stellen. Eine Überschreitung des Wertes macht in gewissen Fällen die Verwendung von Atemschutzgeräten notwendig. Die Explosionsgrenze liegt bei > 2100 ppm. Nachdem sich die Dämpfe nach unten absetzen, ist es besonders unangenehm, wenn man niedrig gelegene Bauteile bearbeitet. Der Vorteil besteht darin, dass die Reaktion relativ schnell verläuft und sich deswegen der Geruch auch bald wieder verzieht.

Luftsauerstoff stört die Reaktion des Materials; deswegen wird zum Schutz Paraffin beigesetzt, was den matten Oberflächeneindruck erklärt. Gerade auf Beton sind dicke Beschichtungen notwendig, damit von unten keine Luft zutritt. Aus diesem Grund eignet sich MMA auch nicht für Quarzkieselböden, da hier komplett eine Luftbenetzung vorhanden ist, da ja nur die einzelnen Körner verklebt sind. Wenn Wasser während der Reaktion hinzutritt, so wirkt dieses wie ein Stellmittel und das Material fließt kaum noch.

Ungesättigte Polyesterharze

Diese Materialien reagieren ebenfalls durch Polymerisation und beinhalten sehr viel Schrumpf. Deswegen werden diese in erster Linie mit einer Armierung eingebaut. Sie sind sehr gut chemisch beständig gegenüber Lösemitteln und Säuren, weshalb sie intensiv für Tankbeschichtungen verwendet werden. Es handelt sich um eine sehr schnelle Reaktion, die ähnlich wie bei Acrylatharzen verläuft.

PU-Betone
Polyurethanbetone

Es handelt sich um eine Kombination von Weißzement und Polyurethan, bei der drei bis vier Komponenten zusammengemischt werden. Diese starr eingestellten Materialien können zwischen 10 und 30 Grad Celsius verarbeitet werden und härten innerhalb von sechs bis 12 Stunden aus. Temperaturen über 30 Grad Celsius machen die Verarbeitung sehr schwierig. Eine vollständige Härtung ist innerhalb von drei bis vier Tagen zu erwarten. Insofern eignen sie sich nicht so gut für sehr schnelle Sanierungen, da der Weißzement etwas Zeit für die Härtung benötigt und zu einem hohen Schrumpf führt. Der Referent wies darauf hin, dass ca. 10 bis 15 cm vom Rand entsprechende Verankerungsschnitte als Nuten notwendig sind, sodass der Materialschwund und eine folgende Verformung vermieden werden.

Das Material ist gut thermisch beständig bis ungefähr 120 Grad Celsius. Es ist zu beachten, dass Fette z.B. durchaus über 100 Grad Celsius erreichen können. Eine gute chemische Beständigkeit ist gegeben, weshalb auch eine Verwendung in der Lebensmittelindustrie möglich ist. Die Festigkeit ist relativ hoch, aber es kommt zu einer gewissen Vergilbung, weshalb man nicht zu helle Farben für die Beschichtung wählen sollte. Die Mindestdicke beträgt 4 mm, da 2 mm dicke Beschichtungen auf Grund der Regel der dreifachen Körngröße nicht dauerhaft wären. Das Material ist häufig relativ teuer, was manche Nutzer abschreckt.

Praktische Vorführungen durch Herrn Großmann und Herrn Körber

Wir wechselten daraufhin in die in der Nähe gelegene Werkhalle für die praktischen Vorführungen.

Herr Körber zeigte nachfolgend die verschiedenen Vorprüfungen an Untergründen, die vor der Platzierung einer Beschichtung notwendig sind. Unter anderem kam der Hinweis, dass bei der CM-Messung das verbleibende Calciumcarbidgemisch nach der Messung feuergefährlich ist. Man sollte dies immer erst mit Wasser löschen und nicht einfach in den Müll werfen. Eine später in den Müll geworfene Zigarette kann bereits einen Brand verursachen.

Weiterhin zeigte Herr Körber weitere Techniken zur Feuchtigkeitsmessung wie z. B. dielektrische Verfahren und elektrische Methoden. Zudem führte er vor, wie Ritzprüfungen an Untergründen fachgerecht durchgeführt werden und zeigte eine ganze Reihe von interessanten Gerätschaften, welche die Untergrundprüfung erleichtern.

Herr Großmann applizierte Acrylat-Materialien als Grundierung, als Reparaturmörtel und als Versiegelung sowie Einstreuungen auf vorbereitete Untergründe.

Die Anwesenden waren erstaunt, zu sehen, wie flüssig Acrylatmörtel bei geeigneter Rezeptur sind, da sie nur wenig und relativ feines Korn enthalten.

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Bild 1                   Hr. Körber mit Publikum bei der praktischen Vorführung

 

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Bild 2                   Hr. Großmann mit Publikum bei der praktischen Vorführung

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